von Hubert Schabel

Es gibt Tage, von denen kann man lange zehren. Heute ist so einer. Ich bekam letztes Wochenende
eine Tageskarte für die Egau bei Wittislingen geschenkt und hab die heute eingelöst. Zum ersten
Mal an meinem Heimatfluss, ein lange gehegter Traum ging in Erfüllung. Die Tage vorher fiel ich
vor allem dadurch auf, dass ich zu jeder unpassenden Gelegenheit „Die Forelle“ von Franz Schubert
pfiff.
Endlich bricht der lang ersehnte Tag an. Die selbstgesetzten Regeln waren klar: Dryfly upstream!
Die Rute 8 Fuß #4, selbstgebaut, die Fliegen selbstgebunden. Rolle die gute unverwüstliche
Reelmaster 46 von Guideline, die auch ein Jahr Norwegen gut überstanden hat, auch wenn sie dort
selten im Einsatz war.
Meine Frau fuhr mich kurz vor Sonnenaufgang an meinen Ausgangspunkt, die flussabwärts
gelegene Fischereigrenze. Dort die Rute zusammengebaut und eine Rehhaarsedge ans 16er Vorfach
gebunden, dann watete ich an einer flachen Rausche in den kühlen Fluss. Er ist kälter als erwartet,
4,5 mm Neopren schützen empfindliche Stellen gegen Unterkühlung. Die Werferei gestaltet sich
entgegen der Erwartungen relativ problemlos, ich bin es gar nicht gewöhnt, Trockenfliegen
zielgenau und subtil zu platzieren, hab ich das Fliegenfischerhandwerk doch an den Fjorden
Norwegens gelernt, dort kommts einfach drauf an, den Streamer so weit es geht raus zu feuern und
einzustrippen. Trockenfliegenfischen ist so ungleich anspruchsvoller, kommt es doch auch darauf
an, die auf der Wasseroberfläche schwimmende Fliege möglichst natürlich in der Strömung driften
zu lassen.
Es gelingt, nach kurzer Zeit beißt ein sehr jugendlicher Döbel. Besser Kleinfisch als kein Fisch,
geschneidert wird heut nicht mehr, das steht fest. Er darf natürlich wieder zu Mami und den Jungs,
weiterspielen. Da ich Trockenfliegen genau deswegen nur auf widerhakenlose Haken binde hat er
außer einem Piekser außen an der Lippe auch keine weiteren Schäden erfahren. Kurze Zeit später,
ein paar Meter flussaufwärts, beißt noch ein Kleinfisch, eine Laube. Darf ebenfalls weiterziehen.
Dann, ein paar Würfe später, rummst es ordentlich auf die Fliege, ich kann nicht genau erkennen,
was es ist. Der Fisch flüchtet ins Kraut und setzt sich fest, hat ziemlich Kraft. Ich kann ihn
freilegen, ein ganz stattlicher Döbel von etwa 45 cm rutscht in den Kescher. Leider rutscht ihm der
Haken aus dem Maul und er befreit sich. Nun, der Bann scheint gebrochen, auch ansehnliche Fische
fallen auf meine Selbstgebundenen rein. Gut so. Allerdings bin ich ja nicht wegen der Weißfische
da. Forellen sollens sein, idealerweise Bachforellen. Die Egauforellen, die ich als kleiner Junge
schon bei ihrem Spiel im Wasser beobachtet habe und dabei die Zeit vergass. Wo sind sie? Ich wate
weiter flussaufwärts, die Egau beschreibt einen kleinen Bogen, am gegenüberliegenden Ufer
hängen Äste ins Wasser. Könnte ein Standplatz guter Forellen sein. Leider gehen nur wieder kleine
Döbel und Lauben ans Band.
Noch ein paar Meter weiter fliesst der Fluss aus einem tunnelartig anmutenden Wäldchen aus, dort
liegt einiges an Totholz im Wasser und bietet Fischen Unterstandsmöglichkeiten. Ich werfe die
Sedge so gut es geht so, dass sie an den vermuteten Unterständen vorbeitreibt. Plötzlich ein Biss,
unverkennbar eine Forelle. Und sie hat Kraft, die dünne Fliegenrute macht den Bückling. Nach
kurzem Drill kann ich eine wunderschöne Rotgetupfte in den Kescher bugsieren. Der Laichhaken
identifiziert sie zweifellos als Milchner. 40 cm misst er und ist gut genährt. Meine erste Egauforelle.
Nachdem ich den Fisch versorgt habe trage ich die Entnahme ins Fangblatt ein und lasse, mit einer
Zigarette im Gras sitzend, den Eindruck lange nachwirken. Eigentlich wäre das ein Moment für
einen guten Scotch, Speyside please.

Zwei Würfe später hängt die Sedge unerreichbar in einem Ast fest und ich muss das Tippet
abreißen. Eine neue Vorfachspitze ist schnell angeknotet, bei der Wahl der Fliege entscheide ich
mich, obwohl noch zwei Sedges in der Box sind, diesmal für eine kleine dunkle Klinkhammer mit
Pfauengrasabdomen. Ich mache den ersten Wurf und verfolge die eingebundene Sichthilfe aus
rotem Wollfaden während die Fliege im Oberflächenfilm treibt. Nach ein paar Metern erfolgt eine
Attacke, ich kann nicht genau sehen, was es war, fand sie doch in einer Zone mit Spiegelung der
Oberfläche statt. Der Fisch hängt nicht. Ich werfe die Stelle erneut an und sofort erfolgt der Biss,
wieder eine Forelle. Sie hat nicht die Größe der ersten, es ist auch nicht ganz eindeutig, ob sie das
Mindestmaß von 26 cm hat. Die Rotgetupfte nimmt mir die Entscheidung ab, als sie sich kurz vor
dem Kescher vom Haken löst und abtaucht. Manchmal gewinnt halt auch der Fisch.
Mit einem Zewa trockne ich die Fliege und befreie sie vom Schleim, um sie anschliessend mit
Entenbürzelfett nachzufetten. Für die nächsten Würfe wate ich ein paar Meter weiter in den grünen
Tunnel. Es dauert nicht lange und Forelle Nummer drei fällt auf die Insektenimitation rein und wird
kurz drauf sicher im Kescher gelandet. Ich wate ans Ufer und versorge den Rogner.

Wieder sitze ich rauchend im Gras und bin ganz erstaunt darüber, wie gut das heute läuft. Ich hatte
erwartet, dass ich als Egaunovize und mit ganz geringer Trockenfliegenerfahrung schneidern würde,
nun habe ich zwei gute Fische mit 40 und 38 cm vor mir am Ufer liegen. Schnell ist der Entschluss
gefasst, meine Frau anzurufen, damit sie mich abholt. Ich will nicht schon am Vormittag das
Baglimit von drei Salmoniden vollmachen. Bis sie kurze Zeit darauf erscheint mache ich noch ein
paar Würfe und als sie um die Ecke kommt hängt gerade wieder ein kleiner Döbel am Haken. Die
zwei Kleinen, die auch dabei sind, haben sichtlich ihre Freude an meinem Tun und bewundern die
beiden schönen Bachforellen. Wir packen zusammen und gehen heim.
Am Abend finde ich mich wieder an der Stelle ein, an der ich am Vormittag aufgehört habe, nicht
zuletzt deswegen, weil mir zuhause aufgefallen ist, dass meine 16er Vorfachspule weg ist. Leider
findet die sich nirgends.
Ans Vorfach knote ich die schon am Vormittag sehr fängige Klinkhammer. Die hängt beim zweiten
Wurf allerdings schon im Baum, am selben dürren Ast wie die Sedge vom Vormittag. Ich hab das
Muster noch ein paar Mal mehr gebunden, identischer Ersatz ist sogleich montiert und es geht
weiter in den grünen Tunnel. Hin und wieder attackieren kleine Döbel die Trockenfliege, aber
keiner bleibt hängen. Lange Schwanzfäden und eine üppige Parachutehechel scheinen eine Art
Versicherung gegen Kleinfische zu sein, die prallt vom Maul ab und kann nicht geschluckt werden.
Forellen bekomme ich keine zu Gesicht, geschweige denn an den Haken.
Das Waten ist anspruchsvoll und stellenweise nicht ungefährlich. Abrupt auftretende tiefe Stellen
wechseln sich mit flachsten Rieselstrecken und langsam fließenden Pools ab. Enten und Gänse
schwimmen im Wasser und ein paar Mal sehe ich in sicherer Entfernung einen Schwan. Ein
herrliches Revier! Mitunter tritt man auch in tiefen Schlamm, der keinen festen Grund zu haben
scheint. Man muss schon sehr aufpassen, wo man seine Schritte hinsetzt. Irgendwann hängt dann
die Fliege wieder in einem Ast als ich beim Rückschwung nicht aufpasse. Leider lässt sie sich auch
mit der Rutenspitze nicht lösen und ich muss sie abreißen. Neben dem gewohnten Schnalzgeräusch
des berstenden Vorfachknotens klingt auch ein glockenartiger Ton durch die Pflanzen und etwas
platscht ins Wasser. Auf dem feinen Kiesgrund sehe ich nach kurzer Suche etwas glitzern. Gutes
Geschäft, der Baum behält meine Klinkhammer und gibt mir dafür einen niegelnagelneuen Spinner,
nicht mal angerostet und der Haken noch richtig scharf, samt Hardmonovorfach und Wirbel.
Leider glänzen die Forellen mit nobler Zurückhaltung und ich trete den Rückweg an als die Sonne
beginnt unter zu gehen. Im Dunklen will ich hier nicht waten. Draußen aus dem Tunnel werfe ich
noch ein paar Leinen von der Schafweide, aber auch hier beißt nichts mehr. Als das Licht zuwenig
wird um die Fliege zu erkennen gehe ich zurück zum Auto und fahre heim. Im Kopf läuft Roger
McGuinns „Ballad of Easy Rider“. Ein wunderschöner Tag geht zu Ende.


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